Wie wird aus Aspacher Wein Aspacher Sekt?

Das Champagnerverfahren benötigt neben Zeit auch in sämtlichen Ausbauschritten die Handarbeit.

Joachim Schöffler steht im lichtdurchfluteten Showroom der Aspacher Weingenossenschaft. In der linken Hand hält er eine Flasche Sekt, in der rechten einen Säbel. Den braucht er zum „Sabrieren“ – so nennt sich die Kunst, eine Flasche Champagner mit dem Säbel zu öffnen. „Ich schlage den Flaschenhals mit einem sauberen Schnitt ab“, erklärt er das Ritual, das auf Napoleon zurückgeht und das er bis heute zu Showzwecken bei Weinproben und Betriebsführungen zelebriert.

Foto: Potthoff

Beim Sabrieren, das sich Joachim Schöffler, der 2. Vorsitzende der WG und Vertriebs- und Marketingverantwortliche der WG, im Rahmen einer speziellen Schulung angeeignet hat, wird der Flaschenhals mit einem schwungvollen Schnitt abgeschlagen – und dies, wenn man es wie Schöffler beherrscht, sauber und frei von ungewünschten Sektfontänen.

Erfunden hat’s angeblich Franzosenkaiser Napoleon, der nach jeder Schlacht eine Flasche Sekt „geköpft“ haben soll. Bis es aber so weit ist, dass ein Champagnerschwert über das Flaschenglas sausen kann, ist die Flasche durch viele Hände gegangen. „Hände“ deshalb, weil in der Sektherstellung bis heute viel Handarbeit steckt.

Von Hand gelesen

Das Handwerk beginnt schon bei der Handlese der Grundweine – also jener Sorten, aus denen einmal Sekt werden soll. Die Grundweine werden bei allen Winzern als Erstes im Herbst gelesen und sind bereits spielentscheidend, sagt Schöffler. „Mit der Auswahl, welche Weintrauben für Sekt genommen werden, entscheidet sich dessen Güte.“ Winzer lassen sich hierbei von den Öchslegraden leiten: „Er sollte nicht zu viel Restsüße haben, weil Sekt von der Frische und einer spritzigen Säure lebt.“

Die Aspacher Weingärtnergenossenschaft produziert vier Sektsorten sowie aktionsweise – abhängig vom Jahrgang – auch noch eine fünfte, damit jeder Kunde seinen Liebling findet: Spätburgunder wird zu Rosésekt, in der Roséfraktion finden Genießer zudem den Pinot Rosésekt Brut“ aus Schwarzriesling. Als dritte Rosévariante gibt es einen Schillersekt, bei dem der Most aus roten und weißen Trauben verschiedener Sorten ausgebaut wird.

Schon gewusst?

Von einem Jahrgangssekt ist die Rede, wenn zur Herstellung ausschließlich Weintrauben eines Jahrgangs verwendet werden. Nicht zu verwechseln mit der Klassifizierung Winzersekt oder Crémant. Die WG Aspach stellt in der Regel Jahrgangssekte her, behält sich aber vor, im Falle eines schlechteren Jahrgangs oder Ernteausfällen den Sekt mit anderen Jahrgängen zu cuveétieren, also verschiedene Grundweine zu einem Endprodukt zu verarbeiten.

Die WG zählt aktuell 60 Mitglieder, allesamt Nebenerwerbswinzer. Ihnen liegt der Erhalt der Kultur und Landschaftspflege am Herzen. „Mit der Arbeit im Weinberg schützen wir unsere Kulturlandschaften, tun etwas für Artenschutz und Natur“, so Joachim Schöffler. Indem sie die Weinbaukultur weiterführen, tragen sie außerdem dazu bei, „dass es unsere heimischen Erzeugnisse, ob spritzig oder nicht, noch lange gibt“.

Für die beiden weißen Sektsorten im Sortiment der WG sind Chardonnay und Riesling das passende Paar. Und alle werden von Hand gelesen, weil genau hingeschaut werden muss. „Insbesondere beim Sekt würde jedes auch nur leicht faulige Beerle Fehlaromen reinbringen, die selektive Handlese ist also oberstes Gebot“, so Schöffler.

Die WG stellt pro Jahr 220.000 Liter Wein her, davon 10.000 Flaschen Sekt, Tendenz steigend. „Immer mehr Verbraucher wollen guten Sekt und sie trinken ihn auch viel lieber als früher“, so Schöffler. Und man muss sich ja selbst nur einmal umschauen: In den Restaurants, Cafés und Bars „spritzt“ es seit Jahren gewaltig. Mit dem Aperol fing es an, inzwischen sind Hugo, Limoncello und neuerdings der Sarti Spritz von fast keiner Karte mehr wegzudenken.

Pur genossen hat der Sekt ebenfalls viele Funktionen, taucht beim Sektempfang ebenso auf wie auch als Aperitif – übrigens auch gerne in der alkoholfreien Version – die WG verzeichnet ebenso eine steigende Nachfrage nach ihren zwei alkoholfreien Seccos. Doch zurück zum mehrstufigen spannenden Verwandlungsprozess der Grundweine zum klassischen Sekt:

Von Hand gedreht – im Handumdrehen

Die Trauben wandern zur Traubenannahme und werden noch am selben Tag in der Aspacher Kelter, koordiniert von den WG-Mitgliedern Uli Wieland und Tobias Schuster, gepresst. Die weißen Trauben werden sofort gepresst, die Roséweine liegen zunächst für einige Stunden auf der Maische. Die flüssige Traubenfracht geht anschließend, in Stahltanks und auf einen Lkw verfrachtet, auf die Reise nach Kernen ins Remstal, wo sie beim Weingut Wilhelm Kern für mehrere Monate zur Gärung im Keller verschwindet.

„Er baut in unserem Auftrag einen Großteil aller Weine für uns aus, und somit auch den Grundwein für den Sekt“, sagt Schöffler. Anfang Januar – so lange dauere es, um eine Aussage über die Qualität treffen zu können – fällen dann der Kellermeister und die WG die Entscheidung, ob der Weinmost zu Sekt – oder doch zu Wein werden soll.

Der Wein bleibt für die weitere Kellerarbeit im Remstal. Der Wein für den Sekt wird ein zweites Mal bewegt und zur Sektkellerei Schreier in die Pfalz gebracht, denn er muss ein zweites Mal gegoren werden. Jeder Sekt entsteht grundsätzlich durch eine zweite Gärung. Warum in der Pfalz? „Sie liegt in etwa auf demselben Breitengrad wie die Champagne, damit entsprechen Erdtemperatur und die Beschaffenheit der Keller jenen in Frankreich“, so Schöffler.

Das passt zum Grundsatz der WG, die ihren Sekt ausnahmslos mit der traditionellen Flaschengärung herstellt, sie ergibt die höchste Qualität. Mit dem Aspacher Sekt hat man also immer Champagner im Glas, auch wenn er sich nicht so nennen darf, da die Bezeichnung geschützt ist. Dies hat das Edelgetränk übrigens mit dem Prosecco gemeinsam, der nur im geschützten Gebiet in Venetien so genannt werden darf.

Neben der traditionellen Flaschengärung haben sich laut einer Internetabfrage die Flaschengärung im Transvasierverfahren und das Großraumverfahren etabliert. Wie bei vielen Lebensmitteln gilt auch beim Sekt: Gut Ding will Weile haben. Es gibt auch Schaumweine, die schneller fertig sind – sie dürfen aber weder als Winzersekt noch unter der Bezeichnung „nach klassischer Champagnerart hergestellt“ in den Handel.

Von Hand dosiert

Damit der Wein später Kohlensäure hat und als Sekt in unseren Gläsern moussieren und feine Bläschen werfen kann, braucht er etwas „Starthilfe“: Der Kellermeister gibt Hefe und Zucker zu. Die Hefe löst den zugegebenen Zucker in Alkohol und Kohlensäure auf. Heraus kommt immer ein trockener Sekt, der dann noch durch die sogenannte „Dosage“ in die gewünschte liebliche Richtung „gedreht“ wird – oder man macht gar nichts, dann hat man „Brut nature“, der den Weintrinkern mit Vorliebe für trockenen Ausbau schmeckt.

Und erneut ist die „Hand“ des Kellermeisters das alles entscheidende Instrument: „Es braucht das feine Händle des Kellermeisters, der die Menge Zucker oder Saccharose, Traubenmost, teilweise gegorenen Traubenmost, Wein oder Weindestillat ganz spezifisch festlegt.“

Von Hand gerüttelt zur Spitzenqualität

Sind Sekthefe und Zucker drin, werden die Flaschen in der Pfalz mit handelsüblichen Kronenkorken verschlossen, wie wir sie von Getränkeflaschen aus Glas, etwa Bier, kennen. Der echte Korken und Flaschen aus dem typisch dickwandigen Glas spielen zunächst noch keine Rolle. Jetzt beginnt zunächst einmal eine neunmonatige Reifezeit – der zweite Gärprozess wird im Ruhezustand eingeleitet.

Jeden Tag werden die Flaschen von
Hand um eine Viertelumdrehung gedreht und leicht gerüttelt Foto: Potthoff
Jeden Tag werden die Flaschen von Hand um eine
Viertelumdrehung gedreht und leicht gerüttelt Foto: Potthoff

Was genau bewirkt die Zweitgärung? „Jetzt entsteht die Kohlensäure. In den Flaschen bildet sich rasch die Hefe, die danach abgerüttelt werden muss, damit sie sich im Flaschenhals absetzt.“ Das erklärt, warum die Flaschen mit dem Kopf nach unten gelagert werden. Schöffler zeigt im Nebenraum spezielle Flaschenregale: „Rüttelpulte“, im Original sind sie aus Eichenholz.

Nach frühestens neun Monaten „rüttelt“ der nächste Arbeitsschritt und es wird lebendig im Keller. In dieser Phase sind Hände gefordert, die an Flaschen drehen, das ist eine der Besonderheiten am Champagnerverfahren. Ein weiteres Mal geht es nur mit Handarbeit vorwärts zum Endprodukt, das einmal zwischen 12 und 13 Prozent Alkohol und Champagnerqualität haben wird.

„Jeden Tag werden die Flaschen von Hand um eine Viertelumdrehung gedreht und leicht gerüttelt“, erklärt Schöffler. Für rund zwei Wochen muss jede Flasche regelmäßig, nach festgelegten Zeitplänen, in Bewegung gehalten werden. „Habt ihr schon an den Flaschen gedreht?“, heißt es während dieser Phase mindestens zweimal täglich für die Kellermeister in der Pfalz, wo die gesamte Produktion abläuft.

Ihnen geht die Arbeit an den Flaschen nicht aus: Als Nächstes muss die Hefe aus den Flaschen entfernt werden. Die Fachwelt sagt „Degorgieren“ dazu. Und wieder sind kundige Handgriffe gefragt. Die Flaschenhälse kommen ins Gefrierbad und werden auf minus 30 Grad runtergekühlt. „Das lässt die Hefe gefrieren, sie kann an einem Stück mit dem Eis rausgezogen werden“, erläutert Schöffler. Doch Obacht: Die Buddel hat ordentlich Druck, weil jede Menge Kohlensäurehinausdrängt.

Je weniger Zucker, desto trockener der Sekt.

„Für uns beginnt jetzt ein Kampf gegen 7 bar. Das Eis schießt zusammen mit der Hefe aus der Flasche, da spritzt’s hier immer ganz schön“, veranschaulicht Schöffler das spritzige Vergnügen, das notgedrungen einen Flüssigkeitsverlust mit sich, bringt. Zum Ausgleich wird die „Dosage“ – ein Gemisch aus Zucker und einem hochwertigen Wein oder Weinlikör – zugegeben. Für uns Sekttrinker ist es das Zünglein an der Waage: Denn diese Zuckermenge, die nach der Zweitgärung zugegeben wird, entscheidet, ob unser Zünglein einen „trockenen“ oder „lieblichen“ Sekt schmeckt. Je weniger Zucker, desto trockener der Sekt.

Als „krönender“ Abschluss wird auf jede Flasche ein Korken aus Korkeiche gepresst. Um sicherzugehen, dass der auch schön im Hals sitzen bleibt, wird er mit einem Metallkörbchen gesichert – im Fachjargon „Agraffe“ genannt. Sie spielt später wieder eine Rolle, wenn Joachim Schöffler zum Champagnerschwert greift. „Beim Sabrieren hebe ich den Drahtkorb an, schiebe ihn ein Stück weit Richtung Flaschenöffnung hoch und zurre ihn dort wieder fest.“ Sollte der Korken sich lösen, kann er nicht rausschießen, er wird von der Agraffe gehalten – der Vergleich mit einem „Airbag“ kommt einem da in den Sinn.

Der Sekt muss richtig kalt sein, am besten direkt aus dem Kühlschrank nehmen und öffnen.

Auf welche Besonderheit muss nun der Sektgenießer achten, der an das kostbare Getränk rankommen will? „Das Allerwichtigste: Der Sekt muss richtig kalt sein, am besten direkt aus dem Kühlschrank nehmen und öffnen“, empfiehlt der Experte gegen unkontrollierte schäumende „Explosionen“. Ein weiterer Trick ist es, die Flasche mit dem Hals nach oben zur Seite zu neigen und beim Lösen des Korkens schräg zu halten.

Ob mit Schwert oder vorsorglich mit einem Küchentuch hantierend – es ist ein erhebender Moment, wenn nach dem typischen dumpfen „Plopp“-Geräusch direkt nach dem Öffnen für wenige Sekunden ein weißer Kältedampf aus der Flasche aufsteigt und hernach das kostbare Getränk bläschenwerfend und moussierend in die entgegengehaltenen Gläser rinnt. Wohl bekomm’s.

Heidrun Gehrke

Weingärtnergenossenschaft Aspach

Die WG Aspach bietet regelmäßige Weinverkostungen an:Während der Vinothek-Öffnungszeiten können grundsätzlich Sekt und Wein verkostet werden. Beim Sekt muss die geöffnete Flasche gekauft werden, beim Wein bekommt man Pröbchen kostenlos. Für ein moderiertes Sekt-Tasting mit vielen Informationen bittet die WG um Terminvereinbarung.

Die Sekt-Tastings sind auch in Kombination mit einem Essen möglich. Und bestimmt wird Joachim Schöffler dann sein Champagnerschwert zücken und mit fachgerechtem „Köpfen“ der ersten Flasche für einen prickelnden Auftakt sorgen.

Weingärtnergenossenschaft Aspach
Allmersbacher Straße 46
71546 Aspach
Telefon: 07148 9670080
info@wg-aspach.de

Alle Fotos: Potthoff

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